Interview geführt von unabhängiger Wirtschaftsjournalistin.

 

Die Gründer der Green Now wollen mit GreenPick einen digitalen Freund für nachhaltiges Entscheiden, Erleben und Wissen schaffen. Ihr Ziel? Gesund und klimafreundlich leben soll für alle einfach möglich werden.

 

Wer seid Ihr und warum gibt es GreenPick?

Michelle Oehri:

Ich bin 33 Jahre alt, in Luzern aufgewachsen und habe Wirtschaftswissenschaften studiert. Als ehemalige Leistungsschwimmerin fühlte ich mich dem Wasser schon immer verbunden, auch ausserhalb der Schwimmhalle. Auf Schnorchelgängen ist mir dann öfter das Plastik im Meer aufgefallen. Mikroplastik ist fast überall in unserer Umwelt. Wie vertilgen jede Woche, ohne es zu merken, etwa eine Kreditkarte (Quelle: WWF). Als mich während einer Riff-Erkundung ein befreundeter Meeresschützer darauf aufmerksam machte, dass sich in meiner Sonnencreme Oxybenzon befand, begann ich ernsthaft nachzudenken. Ein Tropfen auf sechs olympische Schwimmbecken reicht, um jungen Korallen zu schaden. Ich habe mich gefragt, warum Hersteller das nicht im Blick haben – und ob es auch Firmen gibt, die schon beim Produktdesign darüber nachdenken, wie sich Abfall, CO2 und Schadstoffe vermeiden lassen. Ich habe begonnen, mit nachhaltiger Bademode zu experimentieren und einiges in meinen Haushalt umzustellen. Ein konsequent nachhaltigerer Lebensstil erforderte viel Recherchezeit. Deshalb begeisterte mich Martins Idee sofort, einen digitalen Assistenten für nachhaltiges Entscheiden und Entdecken zu entwickeln.

Martin Slawik:

Ich habe auf dem zweiten Bildungsweg mein Abitur nachgeholt und dann in Mannheim Betriebswirtschaft studiert. Ich war im Banken- und Versicherungssektor für Informationssysteme und Online Assessments verantwortlich. Einkaufen musste bei mir immer schnell und bequem gehen. Bis ich eine Kollegin, die sehr auf Nachhaltigkeit achtete, einmal in den Supermarkt begleitete. Ich staunte nicht schlecht, weil sie fast doppelt so lang brauchte wie ich. Während ich Obst und Gemüse ohne lange nachzudenken in den Einkaufswagen packte, studierte sie Label und Produktionsorte, wog ab, ob sie eher den Bio-Apfel aus Übersee nehmen sollte, oder den konventionellen aus regionaler Produktion. Ich fragte Freunde und Bekannte, wie sie einkauften, alle bestätigten, dass achtsamer Konsum viel Zeit für Recherche beanspruche. Ich dachte, das darf eigentlich nicht sein, auch weil es mir immer wichtiger wurde, umweltfreundlich zu leben. So ist die Idee für GreenPick gereift.

 

Heute gibt es Supermärkte, die ein breites Bio-Sortiment anbieten. Warum braucht es trotzdem GreenPick?

Martin:

Das ist eine wichtige Entwicklung. Aber es reicht nicht, um die wachsende Nachfrage zu decken, die sich etwa am steigenden Cumulus-Green-Anteil zeigt, und um eine echte Konsumwende zu erreichen. Die brauchen wir, wenn wir eine Produktion ohne externe Umweltkosten erreichen wollen. Denn ausserhalb der Supermärkte wird es für engagierte Verbraucher schon schwerer, an nachhaltige Anbieter und kompetente Beratung zu gelangen. Das bestätigt eine breite Bedürfnisanalyse, die wir mit Studierenden der Fachhochschule Nordwestschweiz gemacht haben. Es braucht Zeit, um etwa nachhaltige Kleidung, Möbel, Smartphones oder Dienstleistungen zu finden. Wo kann ich ein Fahrzeug oder Werkzeug leihen, mich mit Gleichgesinnten vernetzen oder bei einem urbanen Garten mitpflanzen? Bislang muss ich das Netz mühsam durchforsten, ohne zu wissen, wie glaubwürdig oder gut Anbieter sind. Mit GreenPick habe ich meinen grünen Marktplatz praktisch in der Hosentasche. Auf meinem Smartphone sehe ich, wo sich geprüfte und von Nutzern empfohlene Anbieter finden, die transparent beschreiben, was sie tun. Ich finde Inspiration für einen umweltverträglichen und gesellschaftlich wertvollen Lebensstil und kann mich mit Profis beispielsweise darüber austauschen, welches Material für meinen Hausbau am wenigsten Schadstoffe freisetzt.

Zusammen mit Experten habt Ihr klare Kriterien für Firmen entwickelt, die sich auf GreenPick präsentieren. Wieso schliesst ihr Konzerne aus?

Michelle:

Wir wollen vor allem die kleinen und regionalen Firmen sichtbar machen, die häufig mit lokalen Erzeugern und Zulieferern zusammenarbeiten. Branchenübergreifend, standortbasiert und personalisiert. Wir sind überzeugt, dass ab einer bestimmten Firmengrösse Lieferketten zu komplex werden und man nicht garantieren kann, dass Lieferanten nicht Mitarbeiter oder die Umwelt ausbeuten. Ausserdem beobachten wir die Entwicklung im E-Commerce mit einiger Sorge. Ein Konzern wie Amazon, der auch noch für fragwürdige Praktiken gegenüber Mitarbeitern bekannt ist, konzentriert sehr viel Marktmacht. Für Vielfalt, gesunden Wettbewerb und kleine Firmen, die nicht dieselbe Marketing- und Digitalpower haben, ist das eine echte Herausforderung. Wir wollen nachhaltige Innovation in der Region, Vielfalt, die Förderung einer Kreislaufwirtschaft und die Umsetzung der Strategie „Nachhaltige Entwicklung“ des Schweizerischen Bundesrates unterstützen.

 

Was ist sonst noch nachhaltig an GreenPick?

Martin:

Wir sind ein sozial-hybrides Startup, bestehend aus unserem Trägerverein Nivens und der Firma Green Now. Wir wollen Wandelpionier*innen sichtbar machen, ein Umdenken einleiten und damit den grösstmöglichen Impact für Gesellschaft, Natur und Umwelt schaffen. Neben der Entwicklung von Green Pick übernehmen wir auch als Arbeitgeber soziale Verantwortung: Wir dürfen mit der SVA Zürich, IV-Stellen und Organisationen für berufliche Integration zusammen arbeiten. Wir beschäftigen Langzeitstellensuchende und Personen mit Handicap, und helfen ihnen, am ersten Arbeitsmarkt wieder Fuss zu fassen. Denn Nachhaltigkeit bezieht sich auch auf den Umgang untereinander.

 

Wie finanziert ihr euer Startup und wann wollt ihr Break Even erreichen?

Michelle:

Wir haben bislang unser Erspartes und Alterskapital in die Entwicklung von GreenPick und den Aufbau eines engagierten Teams investiert. Ab Ende September 2020 erhoffen wir uns mit einem Crowdfunding via crowdify.net, das nötige Kapital für die Weiterentwicklung der Seite zu gewinnen. Bis Anfang 2022 wollen wir Break Even erreichen. Wir geben Vollgas, damit wir so früh wie möglich von unserem Herzensprojekt leben und weitere sinnstiftende Arbeitsplätze schaffen können.

 

Wie geht es bei GreenPick weiter?

Michelle:

Wir wollen viel in die Kommunikation mit der und innerhalb der Community investieren. Sie in die Frage einbinden, was wir noch entwickeln sollen, was es braucht, um nachhaltiges Einkaufen einfacher und schneller zu machen. Es soll Spass machen, unabhängig davon, wonach man sucht oder sich befindet. Zusammen mit unserem Partner, dem Lausanner Mobilitätsportal routeRANK, arbeiten wir daher an einem CO2-Planungsassistenten, der Nutzern nicht nur die schnellste, sondern auch die günstigste und klimafreundlichste Route für ihr Ziel anzeigt. Später soll die GreenPick App mit weiteren nützlichen Funktionen folgen.